Der Ukraine-Krieg, der Hamas-Terror. Kriege, Terroranschläge und Konflikte berühren viele Menschen - auch unsere Kinder. Wie können wir Eltern die Fragen der Kleinen beantworten? Was sollten wir sagen, was nicht? Tipps vom Kinder- und Jugendpsychologen Ralph Schliewenz und der Diplom-Psychologin Elisabeth Raffauf.
Thema Krieg: Sollen wir Eltern abwarten bis unsere Kinder nachfragen? Oder das Thema selber anschneiden?
Ralph Schliewenz: Im Prinzip gilt: Fragen, die nicht gestellt werden, muss ich auch erstmal nicht beantworten. Das ist aber natürlich ein bisschen abhängig vom Entwicklungsalter meines Kindes. Wenn es sich um einen Teenager handelt, dann würde ich schon mal proaktiv nachfragen: "Wie beschäftigt dich das?" Aber: Jede Frage, die gestellt wird, verdient auch eine Antwort.
Ab welchem Alter kann ich mit meinem Kind überhaupt über Krieg reden?
Ralph Schliewenz: Krieg ist ein Erwachsenen-Thema. Kinder sind jetzt keine kleinen Erwachsenen. Aber: Wir wissen, dass sie grob ab dem 12. Geburtstag herum durchaus einsichtsfähig sein. Sie sind sicherlich immer noch Kinder, aber sie können sich durchaus schon reflektiert mit Erwachsenen-Themen befassen.
Gehe ich dann knallhart auf die Fakten und sage: "Das und das ist passiert" oder versuche ich kindliche Vergleiche zu ziehen - oder ist das gerade falsch, weil's Kinder mehr Angst machen könnte?
Ralph Schliewenz: Wichtig ist - unabhängig vom Alter - die Frage: Was will ich erreichen? Ich sollte keine Bilder erzeugen, die das Kind nicht mehr aus dem Kopf herausbekommt. Je nach Altersgruppe würde ich mir also sehr genau überlegen, ob ich wirklich die normalen Nachrichten schaue. Schließlich gibt es auch Kindernachrichten, die das dem Alter entsprechend anders aufbereiten. Den Medien kommt hier sowieso eine ganz besondere Bedeutung zu, denn über die erfahre ich ja überhaupt was von diesem Krieg. Die aktuelle Elterngeneration und zum Teil ja sogar die Großeltern-Generation hat selbst Krieg nie erlebt. Wir kennen Krieg nur aus den Medien, aus Erzählungen und dem Geschichtsunterricht.
Frau Raffauf, ganz aktuell jetzt der Hamas-Terror: Wie erkläre ich meinem Kind, was da gerade alles so passiert?
Elisabeth Raffauf: Ja, das ist natürlich nicht so einfach, auch für uns nicht. Kinder haben dann ganz konkrete Fragen. Sie fragen zum Beispiel: 'Warum machen Menschen das?' Bei einem Terroranschlag, wie in diesem Fall, kann man den Kindern schon sagen: 'Terroristen sind Menschen, die andere Menschen in Angst und Schrecken versetzen. Das ist genau das, was sie gemacht haben: Menschen überfallen, die damit überhaupt nicht gerechnet haben und die friedlich waren. Terroristen sind häufig Menschen, die selber mit Gewalt groß geworden sind und die gelernt haben, dass man seine Ziele mit Gewalt durchsetzt. Sie haben nicht gelernt, wie man verhandelt oder Kompromisse schließt oder spricht.'
Wenn die Kinder sowas hören, bekommen sie ja eventuell Angst. Angst, dass das auch hier bei uns passieren kann. Wie kann ich meinem Kind diese Angst nehmen?
Elisabeth Raffauf: Vielleicht ist es erstmal wichtig, dass man den Kindern gar nicht unbedingt die Angst sofort nehmen muss. Ich kann ihnen sagen, dass du Angst hast ist total verständlich. Es ist also erstmal ein Gefühl an der richtigen Stelle: 'Dein Gefühl stimmt', sage ich dadurch mit anderen Worten. Das gibt den Kindern Sicherheit. Und dann ist es wichtig zu sagen: Wir haben hier in Deutschland Politiker, die alles dafür tun, dass das hier nicht passiert. Die werden uns beschützen und wir werden natürlich dich beschützen.
Ein ganz großes Problem ist, dass Fotos und Videos mit diesen grausamen Szenen auf Plattformen wie TikTok und Instagram geteilt und dann per WhatsApp auch noch in den Klassenchat gestellt werden. Wie kann ich als Mama oder Papa damit umgehen?
Elisabeth Raffauf: Erstmal ist grundsätzlich wichtig, dass wir die Kinder begleiten in ihrem Medienkonsum und dass sie Vertrauen zu uns haben. Dass sie wissen, wenn sie so was sehen, was sie so erschreckt, können sie zu mir kommen und ich flippe nicht aus. Ich springe nicht sofort auf und sage, was guckst du da, sondern ich bleibe ruhig und sage: 'Komm mal her. Das ist wirklich erschreckend. Solche Bilder sind furchtbar. Guck sie dir nicht zu Ende an und komm zu mir.' Also darüber reden, Vertrauen haben, Vertrauen schaffen, dass die Kinder kommen können. Wir bleiben einfach ehrlich, erklären ihnen die Sachverhalte in den Worten, die sie verstehen können, geben ihnen das Gefühl, wir sind immer für sie da.