Satiriker Jan Böhmermann liest in seiner Sendung "Neo Magazin Royale" ein Gedicht über den türkischen Präsidenten Erdogan vor. Titel: "Schmähkritik". Das ZDF findet, Böhmermann ist übers Ziel hinausgeschossen und nimmt den Clip aus der Mediathek. Danach kritisiert auch Kanzlerin Merkel Böhmermann - und jetzt ermittelt sogar die Staatsanwaltschaft! Böhmermann hat aus Protest heute (08.04.) sogar seine Teilnahme an der Grimme-Preis-Verleihung abgesagt!
Natürlich wird Jan Böhmermann wegen des Gedichts nicht in den Knast wandern - aus 3 Gründen!
Grund 1: Das Grundgesetz
Im Grundgesetz steht zwar, dass die Beleidigung eines ausländischen Staatsoberhaupts nach Paragraph 103 des Strafgesetzbuches mit bis zu drei Jahren Gefängnis geahndet werden kann (und wenn die Beleidigung in verleumderischer Absicht erfolgt sogar mit bis zu fünf Jahren), aber dafür gibt es zwei Voraussetzungen. Die türkische Botschaft müsste beim Auswärtigen Amt einen offiziellen Antrag für ein Strafverfahren einreichen UND die Bundesregierung müsste eine "Ermächtigung" dafür erteilen, dass die Staatsanwälte ermitteln dürfen.
UPDATE 12.04.: Die Türkei hat mittlerweile ein "Strafverlangen" beantragt.
Grund 2: Der Gesamtkontext
Mittlerweile haben zwar viele Privatpersonen Strafanzeigen eingereicht (der "Spiegel" berichtet von rund 20) und diese werden auch von der Staatsanwaltschaft geprüft - deswegen hat sie ja jetzt die Ermittlungen eingeleitet. Aber: Rechtsanwalt Christian Solmecke von der renommierten Medien-Kanzlei WBS aus Köln ist sich sicher, dass die Ermittlungen eingestellt werden. Seine Einschätzung: "Im Gesamtkontext gibt es eben nicht nur dieses Gedicht. Und da nutzt Jan Böhmermann den vollen Rahmen der Kunstfreiheit aus." Gesamtkontext bedeutet in diesem Fall, dass ja auch schon vorher das Satire-Magazin "extra3" Erdogan kritisiert hatte - und der türkische Präsident daraufhin den deutschen Botschafter einberufen ließ.
Song: Erdowie, Erdowo, Erdogan | extra 3 | NDR
Grund 3: Die künstlerische Freiheit
Die Pressefreiheit und die künstlerische Freiheit sind ein hohes Gut in Deutschland. Deswegen landeten auch schon in der Vergangenheit nur wenige Fälle tatsächlich vor Gericht - oder wurden für den Kläger entschieden. Der Verwaltungsgerichtshof Bayern hatte zum Beispiel 2010 entschieden, dass eine Abbildung von Papst Benedikt XVI. bei einer Homosexuellen-Parade zu Unrecht aus dem Verkehr gezogen worden war. Anders lief allerdings ein Fall aus den 80er Jahren. Damals hatte die chilenische Regierung mit Erfolg geklagt, weil sie auf einer Demonstration mit dem Wort "Mörderbande" bezeichnet worden war.