Erst im Netz, dann auf dem Schulhof – immer mehr Jugendliche in Deutschland werden Opfer von Hate Speech. Antonia (15) hat offenen Hass an ihrer Schule hautnah erlebt – bei WhatsApp, Snapchat, aber auch offline. Sie hat BAYERN 3 Moderatorin Claudia Conrath ihre Leidensgeschichte erzählt – zusammen mit ihrer Mama Tina.
Antonia: Ich war am Anfang richtig zufrieden in der Klasse. Als ich dann so 13 war, plötzlich überhaupt nicht mehr. Ich weiß gar nicht, wie das angefangen hat. Irgendwann in der 7. Klasse war es einfach da: dieses komische Gefühl. Und dann lag da plötzlich dieser Zettel in meinem Fach. Und da stand drauf: "Wir bringen dich um, du hässliche Fotze." Es hatte auch vorher schon Beleidigungen gegeben, dann aber meistens per WhatsApp.
Claudia: Was ist in diesem WhatsApp-Chat passiert?
Antonia: Das war der Klassen-Chat. Und da war‘s immer so, dass, wenn es für die Klasse Ärger von einem Lehrer gegeben, hat, ich immer Schuld war. Also nie die Klasse. Sondern immer habe ich die ganze Schuld bekommen.
"Wir töten deine Mutter"
Claudia: Hast du gewusst, wer diesen Zettel geschrieben hat?
Antonia: Nein, das wusste ich nicht. Ich habe den Zettel sofort in meine Schultasche gesteckt und gehofft, dass jetzt nichts mehr passiert. Aber es wurde immer schlimmer. Dann kamen Dinge über Snapchat, auch Erpressungen. Mir wurde gesagt, dass ich bestimmte Dinge machen soll. Und wenn ich die nicht mache, würde meiner Familie etwas passieren. Dann kam ein zweiter Zettel "Wir töten deine Mutter". Von da an wollte ich meine Mutter nicht mehr alleine irgendwo hinfahren lassen.
Tina: Das war ganz seltsam. Egal, wo ich hinwollte. Sie wollte immer mit. Schon fast beängstigend. Selbst wenn ich nur kurz einkaufen wollte, hat sie gesagt: Pass bitte auf dich auf. Sei vorsichtig! Und ich konnte mir das da noch gar nicht erklären.
Antonia: Das ging dann zwei Monate so mit den Zetteln. Und irgendwann habe ich mich meiner besten Freundin anvertraut und die hat gesagt, ich muss alles meiner Mutter erzählen.
"Im Nachhinein war es besser, dass meine Mutter den Zettel gefunden hat"
Tina: Und das war auch der Moment, als ich den Zettel in Antonias Tasche gefunden habe. Ich habe meiner Tochter den Zettel gezeigt – und da ist sie dann auch gleich in Tränen ausgebrochen.
Antonia: Ich wollte es meiner Mutter eigentlich gar nicht erzählen. Keine Ahnung warum. Ich habe einfach immer gedacht: Es ist besser, wenn sie auch den Zettel nicht findet. Aber dann hat sie ihn gefunden. Und das war im Nachhinein viel besser und wir haben besprochen, was wir jetzt machen.
Claudia: Nachdem ihr dann beschlossen habt, dass eine andere Schule wohl doch die bessere Lösung ist – bist du froh, dass du jetzt nicht mehr in die alte Schule musst?
Antonia: Definitiv. Ich bin sehr froh, dass ich da nicht mehr hin muss.
Claudia: Habt ihr denn mittlerweile herausgefunden, wer dahintersteckt?
Antonia: Mir hat man gesagt, dass sie es herausgefunden haben. Es war wohl eine ehemalige Freundin von mir, die auch mit mir in der Klasse war. Die bei uns im gleichen Ort wohnt. Warum sie das getan hat, weiß ich nicht. Das ist mir ein Rätsel! Es kamen dann nach dem Schulwechsel auch noch ein paar üble WhatsApps und auch bei Snapchat. Aber ich bin dann bei WhatsApp raus und bei Snapchat wurde es auch immer weniger.
Claudia: Du bist jetzt auf deiner neuen Schule, einer Montessori-Schule, was ist da anders?
Antonia: Also, ich bin jetzt auf jeden Fall vorsichtiger geworden gegenüber anderen Schülern. Es gibt auch viel seltener Streit und wenn, dann löst man das gleich mit Lehrern zusammen. Da eskaliert eigentlich gar nichts mehr.