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Wie soll es nach "Despacito" nur weitergehen? 

15 Wochen lang war "Despacito" die Nummer 1 der BAYERN 3 Charts – länger als jeder andere Song (Länger als "Wind Of Change", "Dragostea din tei" oder "My Heart Will Go On", 15 mal öfter als "Atemlos durch die Nacht"). Jetzt, zu Beginn der Sommerferien, steht die Single nicht mehr an der Spitze. Kann es ein Leben nach "Despacito" geben? Es muss.

Wird es einen Track geben, der jetzt zum neuen Sommerhit, zum Hit der Sommerferien, werden kann? Vielleicht. Drei Vorschläge:

"Mi Gente" von J Balvin & Willy William

"Mi Gente" hat Anfang August "Despacito" von Platz 1 der globalen Spotify-Charts verdrängt. In Strophe 2 versteht man, auch wenn man sonst nichts versteht: "Francia, Colombia". Was im Fußball ein Duell (mit einem Sieger und einem Verlierer) wäre, ist im Pop ein Duett (mit zwei Siegern). Eigentlich gehört die Nummer dem Franzosen Willy William und heißt "Voodoo Song". Dass kein Hit "Voodoo Song" heißen kann, dürfte der inzwischen bemerkt haben. Und weil la lengua pop gerade Spanisch ist, ist der Kolumbianer J Balvin jetzt mit an Bord. "Mi Gente" bedeutet meine Leute, mein Volk und ist daher für uns alle. Statt Voodoo-Zauber also Volkslied. Der Song selbst ist ein bisschen nervig und vielleicht gerade deswegen auf dem Weg zum Hit.

"L'esercito del selfie" von Takagi & Ketra feat. Lorenzo Fragola & Arisa

Zum Sommer gehört der Urlaub, zum Urlaub gehören die Urlaubsfotos, und während man früher Sehenswürdigkeiten oder die Familie vor Sehenswürdigkeiten fotografiert hat, fotografiert man heute sich selbst vor Sehenswürdigkeiten (oder am Strand oder auf dem Berggipfel). Kurz: Man macht ein Selfie. Viele Selfies ergeben eine Armee von Selfies. Genau das heißt nämlich "L'esercito del selfie". Hinter dem Song stecken zwei italienische DJs und Produzenten, ein Casting-Show-Teilnehmer, eine Sängerin/Casting-Show-Jurorin.

"L'esercito del selfie" soll heißen: Die Selfie-Kultur nervt. Nur: Das hört man nicht und das singen die so auch nicht. Weil in Italien am Ende immer die amore gewinnt, ist es v. a. ein Liebeslied. Es hat die fröhliche Melodie von Musik der 1960er Jahre (also aus einer Zeit, als noch niemand Selfies gemacht hat). Das sehr unterhaltsame Video ist überwiegend in Schwarz-Weiß und der Song bestätigt, was wir schon seit Mozart wissen: Italienisch ist die schönste Sprache der Musik (Und Mozart lebte zu einer Zeit, als noch niemand … ihr wisst schon).

"Bibia Be Ye Ye" von Ed Sheeran

Okay, den Song gab's – ja, da hat jeder Ed-Sheeran-Kritiker recht – so auch schon vor rund 30 Jahren von Paul Simon. Aber: Ed Sheeran bewegt sich aus seiner Komfortzone (Gitarren-Pop und Balladen) heraus. Er verbrachte die Zeit zwischen Album Nr. 2 "x" und Album Nr. 3 "÷" nicht mit Multiplizieren und Dividieren, sondern mit Reisen um die Welt, u. a. nach Ghana.
"Bibia Be Ye Ye" bedeutet "Alles wird gut" in einem Dialekt, der dort gesprochen wird. Was man bei "Shape Of You" schon erahnen konnte, hört man hier ganz deutlich: den Einfluss von Weltmusik auf Ed Sheerans aktuellem Album. Seine Plattenfirma macht "Bibia Be Ye Ye" nicht zur Single. Aber Ed Sheeran sagt: "Es ist Sommer und ich wollte ein Video dazu machen." (Im Video zeigt er sich selbst nur zweimal ganz kurz und auch nur von hinten, aber ein Rothaariger in Afrika ist halt nicht zu übersehen.)

Er weiß genau wie J Balvin und Willy William (und Major Lazer und French Montana): Pop-Musik 2017 ist global. Der Sommer mag im Moment dem Latin Pop gehören, aber die musikalische Zukunft liegt möglicherweise in Afrika.

Kurzzusammenfassung

15 Wochen lang war "„Despacito" die Nummer 1 der BAYERN 3 Charts – länger als jeder andere Song (Länger als "Wind Of Change", "Dragostea din tei" oder "My Heart Will Go On", 15 mal öfter als "Atemlos durch die Nacht"). Jetzt steht die Single nicht mehr an der Spitze. Wird es ein Leben nach "Despacito" geben? Es muss. Wir machen drei Vorschläge für die Nachfolge.