Jeden Tag erreichen uns neue Corona-Meldungen. Das verunsichert. Kann ich jetzt entspannt meinen Urlaub buchen? Soll ich von der Arbeit zu Hause bleiben? Wie verbreiten sich Viren im Sommer? Diese und noch mehr eurer Fragen haben Sebastian Winkler und die Frühaufdreher an zwei Experten gestellt. Hier gibt es die Gespräche für euch zum Nachhören.
Das Corona-Spezial zum Nachhören:
Kann ich überhaupt noch Urlaub buchen? Was bringen Schulschließungen? Sind Absagen von Großveranstaltungen überhaupt angemessen? Wir fragen zwei Experten: Prof. Dr. Ulrike Protzer von der TU München / vom Helmholzzentrum, und unseren Rechtsexperten Kai Rodegra.
Reisen in Zeiten von Corona
Viele von uns freuen sich auf ihren hart verdienten Urlaub an Ostern und Pfingsten. Wer Italien gebucht hat - am besten gleich stornieren oder abwarten, vielleicht wird’s ja besser?
Prof. Dr. Ulrike Protzer: Die Frage ist natürlich nicht ganz einfach zu beantworten, weil auch ich nicht in die Zukunft schauen kann. Da müssen wir einfach abwarten wie sich die Situation in den Sommermonaten entwickelt. Wir wissen von den ganz normalen Corona-Viren, dass die Infektionen in den Sommermonaten immer zurückgehen. Nicht weil es wärmer wird, Viren halten nämlich locker 40 Grad aus, sondern weil wir einfach mehr Sonnenschein haben und das mögen die Viren überhaupt nicht wegen der UV-Strahlen. Insofern gehen wir davon aus, dass auch die Corona-Viren zurückgehen, aber sie werden nicht auf 0 zurückgehen. Und sie werden uns vermutlich dann auch wieder im Herbst beglücken.
Wenn ich eine Reise gebucht habe und es ist jetzt Risikogebiet – kann ich dann überhaupt so einfach stornieren?
Kai Rodegra: Stornieren kann man zwar immer, aber dann bleibt man auf Stornokosten sitzen. Nur wenn eine Reisewarnung des Auswärtigen Amts oder der WHO- besteht, dann kann ich zumindest eine Pauschalreise kostenfrei stornieren. Das gilt natürlich auch für Sperrgebiete, zu denen Anreisen nicht mehr möglich sind. Eine Reiserücktrittskostenversicherung hilft mir nicht, wenn ich nur Bedenken habe in ein Gebiet zu fahren. Sie ist immer dann wichtig, wenn ich mein persönliches Risiko, wenn ich nicht reisen kann, absichern will. Ich werde also krank oder bei mir wird tatsächlich das Corona-Virus festgestellt und ich muss in Quarantäne.
Worauf muss ich denn achten wenn ich jetzt Urlaub und oder einen Flug buche?
Kai Rodegra: Einige Reiseveranstalter haben auf das Corona-Virus reagiert und bieten nun Reisen an, die man kostenfrei und kurz vor Reiseantritt stornieren kann. Das ist aber bei jedem Reiseveranstalter anders, da muss man sich die Stornobedingungen genau durchlesen. Bei einer Fluggesellschaft ist es auch so, dass aus wirtschaftlichen Gründen viele Flüge abgesagt worden sind. Die Flieger sind einfach nicht mehr voll – aber da ist die Fluggesellschaft in der Pflicht, wenn ich jetzt auf einen teureren Flug umbuchen muss. In dem Fall kann ich durchaus vertraglich gegen die Fluggesellschaft vorgehen und die Mehrkosten verlangen. Außerdem gelten auch die EU-Fluggastrechte. Fluggesellschaften können also nicht einfach so, nur weil die Flieger nicht mehr voll sind, Flüge stornieren bzw. absagen.
Kann sich Corona denn in anderen Reiseorten wie Ägypten noch so zuspitzen wie in Italien?
Prof. Dr. Ulrike Protzer: Ich glaube das kann man auf keinem Gebiet der Welt im Moment ausschließen. Ganz klar ist: In die Risikoregionen sollte man nicht fliegen, aber die Risikoregionen ändern sich.
Viele Länder wie Norditalien sind sehr streng mit der Einreise. Müsste Deutschland nicht auch schon viel strenger sein?
Prof. Dr. Ulrike Protzer: Ich glaube im Moment müsste man hauptsächlich strenger sein mit der Ausreise, wenn man sich mal die Zahl der Fälle anschaut, die wir hier haben. Natürlich hauptsächlich durch die Nähe zu Italien, aber wir haben natürlich schon eine enorme Anzahl.
Sollten wir dann Temperaturkontrollen an den Flughäfen machen?
Prof. Dr. Ulrike Protzer: Diese Temperaturkontrollen sind natürlich nicht wahnsinnig exakt. Eine genaue Temperaturmessung mit Thermometer im Mund geht einfach nicht. Wenn jemand eine Paracetamol nimmt, weil es ihm nicht so gut geht, drückt er damit das Fieber runter. Das heißt, den entdecken Sie trotzdem nicht.
Corona vs. Grippe
Ist Corona wirklich schädlicher als Influenza?
Prof. Dr. Ulrike Protzer: Das Entscheidende sind die Zahl der Infizierten und bei der Grippe hatten wir Anfang des Jahres sehr viele Fälle – mehr als Corona-Erkrankungen. Aber wenn sich das dreht und wir es nicht schaffen, das ganze einzudämmen, dann ändert sich das Bild.
Für wen ist Corona dann besonders gefährlich?
Prof. Dr. Ulrike Protzer: Als gesunder und jüngerer Mensch kann man wirklich relaxt bleiben. Es trifft einen vielleicht, weil es die persönlichen Freiheiten einschränkt, wie wenn wir größere Quarantäne-Maßnahmen ergreifen müssen. Gefährlich ist Corona für unsere älteren Mitbürger, also 70+ und für alle die Vorerkrankungen, sprich Lungenerkrankungen, Herz-Kreislauferkrankungen, Diabetes haben. Aber auch für Tumorpatienten. Und um die zu schützen, machen wir diesen ganzen Aufwand. Wir machen diesen Aufwand nicht um zu verhindern, dass sich ein einzelner infiziert, sondern um Risikogruppen zu schützen. Der Grund der ganzen Maßnahmen die wir im Moment treffen ist wirklich die Ausbreitung des Virus zu verlangsamen. Wir sehen das im Moment in Italien, die kommen absolut an ihre Grenzen und das ist was wir versuchen wollen zu verhindern in Deutschland. Wir haben ja noch viele andere Kranke und wir müssen dafür sorgen, dass unser Gesundheitssystem funktional bleibt, damit wir die ganz „normalen“ Krankheiten behandeln können.
Ist denn eine Erkältung auch schon eine Vorerkrankung?
Prof. Dr. Ulrike Protzer: Nein. Dass man zwei Viren gleichzeitig kriegt ist schon extrem unwahrscheinlich. Das Immunsystem ist nämlich schon mal aktiviert durch das erste Virus, dass es das zweite Virus gar nicht reinlässt.
Was, wenn ich schwanger bin?
Prof. Dr. Ulrike Protzer: Zum gibt es keinen Bericht, das Schwangere durch das Corona-Virus besonders gefährdet sind. Bei Influenza ist es tatsächlich so, da hat man ein höheres Risiko. Dagegen sollte man sich impfen lassen. Wenn es in der Klinik Corona-Fälle gibt, dann wird die Klinik sicher dafür sorgen, dass diese gut isoliert sind und keiner so einfach in die Neugeborenenstation kommt.
Verschwörungstheorien zu Corona
Manchmal heißt es: „Da ist doch was anderes dahinter“ und „der ist doch gezüchtet worden“ …
Prof. Dr. Ulrike Protzer: Ich denk mir immer: so ein Schmarrn. Das ist ein Virus, das kommt ganz klar aus dem Tierreich, da gibt es sehr ähnliche Vertreter. Wir haben das schon mehrfach gesehen, die können auf den Menschen überspringen. Das ist nicht das erste Mal und auch nicht das letzte Mal, dass das passieren wird.
Vorsichtsmaßnahmen und Quarantäne
Wie verhalten Sie sich persönlich?
Prof. Dr. Ulrike Protzer: So wie immer. Ich versuche immer in der Erkältungssaison, die Hygienemaßnahmen einzuhalten, denke öfter mal dran mir die Hände zu waschen. Ich habe mir aber kein Desinfektionsmittel für Zuhause gekauft, weil ich es nicht für wahnsinnig sinnvoll halte. Das brauchen die Bereiche, die die dort lebenden Menschen schützen müssen. Sprich Krankenhäuser, Altenheime – da macht es Sinn.
Einen Impfstoff gegen Corona soll es frühestens 2021 geben. Wie sieht es mit Medikamenten aus?
Prof. Dr. Ulrike Protzer: Medikamente zu entwickeln ist etwas einfacher als Impfstoffe. Den Impfstoff gibt man jemandem, der gesund ist, um eine Erkrankung zu verhindern. Das Medikament gibt man jemandem der krank ist und dann weiß man ganz gut, wie man Viren angreifen kann. Da gibt’s tatsächlich Kandidaten, die gut aussehen. Man muss sie jetzt in klinischen Studien belegen und sie müssen für die Masse produzierbar sein.
Ihr Tipp an uns?
Prof. Dr. Ulrike Protzer: Stay cool, ich glaube das ist das Wichtigste. Es gilt jetzt dieses Virus auszubremsen. Jeder von uns muss dazu beitragen. Es bringt aber nichts, wenn ich mir jetzt kiloweise Nudeln, Klopapier oder Desinfektionsmittel zulege.
Wann muss ich denn auf jeden Fall in Quarantäne?
Kai Rodegra: Immer dann, wenn das Gesundheitsamt, ich gehe jetzt mal von Deutschland aus, das anordnet. Ein Arbeitgeber kann das nicht anordnen. Er kann zwar sagen, du bleibst jetzt erstmal zuhause, aber das ist keine Quarantäne.
Habe ich eine Auskunftspflicht meinem Arbeitgeber gegenüber?
Kai Rodegra: Eigentlich geht es den Arbeitgeber nichts an, in welchen Ländern seine Arbeitnehmer Urlaub machen. Beim Corona-Virus gibt es aber eine Ausnahme. Hat der Arbeitnehmer in einem Risikogebiet Urlaub gemacht, muss er es dem Arbeitgeber mitteilen. Dies folgt aus dem gegenseitigen Rücksichtnahmegebot. Der Arbeitgeber kann dann eine Risikoabwägung vornehmen. Er kann zum Beispiel auch bestimmen, dass der Arbeitnehmer zunächst für einige Zeit von Zuhause aus arbeitet oder er sogar bezahlt freigestellt wird.